Rezension/Presse

Sächsische Zeitung                   


 29.04.2004
     

 Rätsel um eine Königin
Der Dresdner Schauspieler Peter Biele legt seinen zweiten Roman vor
Von Rudolf Scholz

Lang genug hat Peter Biele als Schauspieler auf der Bühne gestanden, um zu wissen, welche Faszination von der Verwandlung in eine andere Rolle ausgeht. Von leidenschaftlicher Reiselust besessen, mag er auf diese Weise auch den Seefahrer Sindbad in sich entdeckt haben. Kein Zufall also, dass diese legendäre Gestalt auch in seinem zweiten Roman “Wassermannsträume oder Die Rätsel der Königin von Saba” auftaucht.

Der Stoff wuchs Biele auf einer Reise zu, die ihn Ende der siebziger Jahre ins ferne Jemen führte. Doch der Verlag zeigte wenig Interesse an seinem Manuskript, so dass es in der Schublade verschwand. Erst jetzt fand es den Weg in die Öffentlichkeit. Doch das Erstaunliche: Es hat von seiner ursprünglichen Kraft nichts verloren; es zeigt den Erzähler Biele auf der Höhe seiner Fabulier- und Sprachkunst.

Die Mutmaßung, der Leser habe es mit einem historischen Roman zu tun, ist unzutreffend. Der Zugriff aufs Historische geschieht vom Gegenwärtigen her und vor dem Hintergrund heutiger Machtkonstellationen und politischer Konflikte. Der Hydrogeologe Steinbach führt, einem Regierungsauftrag folgend, in das an extremer Wasserarmut leidende arabische Land, um unerforschte Quellen erschließen zu helfen. Doch mitten in der Wüste stürzt er mit dem Flugzeug ab. Mit Abdoullah, seinem Helfer, überlebt er.

Auf dem Weg zum weisen König Salomo

Bis ihn ein neuer Schicksalsschlag trifft: Er landet in einer verschütteten Zisterne. Unerwartet findet er sich an der Seite der sagenumwobenen Königin von Saba wieder und begibt sich mit ihr auf den Weg zum weisen König Salomo, “zur historischen Begegnung von Matriarchat und Patriarchat”. Alles ereignet sich in der Vorstellungswelt des Abgestürzten. Traum und Wirklichkeit mischen sich, wobei besonders das krisenhafte Verhältnis zwischen Steinbach und seiner Frau Susanne auf dem Prüfstand steht. So wird der Absturz zur ernüchternden Lebensbilanz eines Mannes, der vor sich selbst auf der Flucht ist und dessen Scheitern die Chance eines neuen Anfangs birgt. Diese Geschichte besitzt eine philosophische Dimension: Die Suche nach Wasser als Suche nach den Möglichkeiten des Überlebens in einer Welt, die ihre eigenen Lebensgrundlagen selbst zu zerstören droht.

Biele, der lange in Dresden lebte, gibt uns einen Begriff davon, wie abgründig der Brunnen der Vergangenheit ist. Er holt Überliefertes und Gleichnishaftes aus der Tiefe herauf. Als dominierendes Gestaltungselement setzt der erfahrene Schauspieler wirkungsvoll den Dialog in knapper Verkürzung auf Rede und Gegenrede ein. Prägnante poetische Sinnbilder setzend, erkundet er die Quelle, aus der das Eigene fließt. Und es scheint, als sei er mit den Rätseln der sagenhaften Königin den Geheimnissen seines eigenen Lebens auf der Spur.

Der Autor, der mit dem Gedichtband “Der Schindelmacher” und dem Komödianten-Roman “Tod im Kostüm” bekannt wurde, wählte als einleitendes Motto einen Vers aus der 19. Sure des Koran: “Wer sich im Irrtum befindet, dem verlängert der Erbarmer die Tage”. Möge sich auch der Autor selbst noch lange im Irrtum befinden.

Peter Biele, Wassermannsträume oder Die Rätsel der Königin von Saba, Dr. Rinke Verlag Gröbzig, 230 Seiten, 9,90 Euro

 

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